Chef von Goldman Sachs sagt Nein zur Verstaatlichung
Was lange erwartet wurde, hat die Tageszeitung „Welt am Sonntag“ nun tatsächlich geschafft. Lloyd Craig Blankfein, der Chef von Goldman Sachs – einer der ältesten Investmentbanken der Welt und lange Jahre auch eine der Top-Adressen für Private Banking, Vermögensverwaltung und Vermögensberatung – hat sich zu einem Interview bereit erklärt. Vielleicht wurde dieser Zeitpunkt mit Absicht gewählt – mitten in der Krise könnte sonst vergessen werden, dass Goldman Sachs heuer 140 Jahre alt wird. Kein schlechtes Alter für eine Bank dieses Kalibers. Dennoch war die Investmentbank nicht immer unumstritten.
In Folge der New-Economy-Blase, auch Dotcom-Blase genannt, wurde Goldman Sachs dann auch von der US-Börsenaufsicht, der SEC, eine Strafe aufgebrummt wegen in die Irre führender Analysen, was schließlich eine Verpflichtung zur Zahlung von 75 Millionen US Dollar bedeutete. Damals war übrigens der im Januar aus dem Amt geschiedene US-Finanzminister Henry Paulson der Chef von Goldman Sachs. Vielleicht kein gutes Omen für einen der wichtigsten Männer der Welt. Dies wurde jedoch übersehen, so dass Paulson im Jahr 2006 von seinem Vorsitz bei Goldman Sachs direkt ins Weiße Haus wechseln konnte, um unter George W. Bush als Finanzminister tätig zu sein. Doch seine Arbeit hat keine für die Zukunft positiven Spuren hinterlassen, und die USA liegen als Wirtschaftsland eher brach vor allem in Bezug auf die Finanzmärkte.
Paulsons Nachfolger als Chef von Goldman Sachs, Lloyd C. Blankfein, scheint mehr Spuren hinterlassen zu wollen. Er gilt als einer der einflussreichsten Banker in der ganzen Welt, und hat sich diesen Ruf bewahrt, auch in den Zeiten, in denen drei Hedge Fonds, die unter der Verwaltung und Management der Goldman Sachs Asset Management standen, rasant im Wert fielen und nur durch Investitionen in Milliardenhöhe (sechs Milliarden US Dollar insgesamt) wieder gestützt werden konnten.
Blankfein, der anders als so viele andere erfolgreiche Banker nicht aus der Upper Class, also der High Society, der USA entstammt, sondern als Sohn eines Postboten in einfachen Verhältnissen aufwuchs, sprach sich nun klar gegen eine Verstaatlichung aus. „Ich halte Verstaatlichung für keine gute Lösung. Ausschlaggebend ist, dass das Finanzsystem stabilisiert wird, und da müssen Regierungen pragmatisch rangehen. In Extremsituationen kann es sinnvoll sein, dass die Regierung einen Anteil übernimmt. Aber vollständige Kontrolle sollte vermieden werden.“, sagte er der „Welt am Sonntag“.
Natürlich blieb auch das Jubiläum von Goldman Sachs in dem Interview nicht unerwähnt:
„Wir haben jetzt schon seit 140 Jahren Glück. Nein, im Ernst: Im Sport verliert selbst das beste Team in drei von zehn Fällen. Ebenso wenig kann man als Banker davon ausgehen, immer richtig zu liegen. Entscheidend ist es, ein sehr ausgefeiltes Risikomanagement zu haben und die Kultur, die dieses Risikomanagement fördert. Aber auch wir werden nie alles hundertprozentig richtig machen können. Daher werden Sie nicht von mir hören, dass wir besser als andere sind.“
Mit seinem Vorgänger, Henry Paulson, ging Blankfein nicht hart ins Gericht. Vielleicht hätte er es tun können, vielleicht auch tun müssen. Doch der Mann aus der Bronx, einem Stadtteil, welcher gerade in den 60er bis 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Schmelztiegel der Gewalt, Kriminalität und Unruhen war, bewahrt Ruhe und zeigt Stil. Und er bezieht auch klar Stellung zu der Frage, ob es einen Stellenabbau oder einen kompletten Rückzug von Goldman Sachs aus Deutschland geben wird. Drei Worte zeigen hier den eindeutigen Standpunkt: „Auf keinen Fall“. Ob dahinter ein Punkt oder ein Ausrufezeichen steht, kann sich jeder selbst dazu denken.
Das wirklich Faszinierende an Lloyd Craig Blankfein, einem jener Personen, die es von unten nach ganz oben geschafft haben, ist die Tatsache, dass er mitten in der Krise an den alten Traum der USA erinnern kann: Jeder kann es schaffen, vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden. Oder fast jeder. Und auch hierzu findet er Worte in dem so wichtigen Interview mit der „Welt am Sonntag“:
„Sie haben es als Sohn eines Postboten aus der Bronx an die Spitze der größten Investmentbank geschafft. Sind Sie ein Beleg dafür, dass es den amerikanischen Traum noch gibt?
Ich habe sicherlich das große Los gezogen. Aber wir haben einen langen Weg vor uns, bevor alle Amerikaner die gleichen Chancen bekommen. Deshalb stifte ich Stipendien für Harvard und engagiere mich in Stiftungen, die Menschen aus der Armut holen wollen. Wir müssen mehr dafür tun, dass der Nutzen des Kapitalismus fairer verteilt wird und mehr Menschen gute Bildungs- und Berufschancen erhalten. Das gilt nicht nur für Amerika, sondern für die ganze Welt.“
Klarer kann man die Rückkehr zu dem alten Traum und zu gleichen Möglichkeiten für alle US-Bürger kaum anmahnen. Und das in einer Zeit, in der das Land mitten in der Krise steckt, in der hunderttausende ihre Häuser verloren, weil sie die Hypotheken aufgrund gestiegener Zinsen nicht mehr zurückzahlen konnten. In einer Zeit, in der es so wichtig ist, die Trümmer der zusammengebrochenen Finanzwirtschaft in aller Welt zusammen zu räumen und einen Neuanfang zu wagen. Mit Blankfein an einer der Spitze gärt vielleicht auch wieder so etwas wie Hoffnung. Denn wie sagt er so schön: „Eigentlich bin ich ein Optimist“. Vielleicht sollten wir uns alle ein wenig von diesem Optimismus abschauen und statt Jammern und Wehklagen die Hoffnung wieder schüren…