„Sell in May and go away“ – das besagt eine alte Börsenweisheit. Dahinter steckt die Empfehlung, im Mai Aktien und Co. abzustoßen, die Gewinne mitzunehmen und erst im Herbst wieder zu investieren. Denn die Sommermonate gelten dieser Weisheit nach als besonders schwach bzw. verlustreich. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die zugrundeliegende Annahme nicht völlig falsch ist. Dennoch gibt es gute Gründe, sich nicht daran zu orientieren – gerade auch in diesem Jahr.
Das Wichtigste auf einen Blick:
- Der S&P 500 erwirtschaftete seit 1950 in den Monaten von Mai bis Oktober im Schnitt eine geringere Rendite als in der Zeit von November bis April
- In den letzten zehn Jahren hat sich das Bild jedoch etwas verändert
- Die angespannte Weltlage macht eine Prognose der kommenden Entwicklung im Jahr 2022 besonders schwierig
Sommermonate – in den letzten 10 Jahren deutlich stärker als früher
Ein Blick auf den Börsenindex S&P 500 zeigt, dass dieser seit 1950 im Zeitraum von Mai bis Oktober eine Rendite von durchschnittlich 1,8 Prozent erzielte. Im Zeitraum von November bis April war er mit einer Rendite von durchschnittlich 7,1 Prozent deutlich stärker.
Allerdings zeigen die letzten zehn Jahre eine interessante Entwicklung. In diesen lag der S&P 500 von Mai bis Oktober in neun von zehn Jahren im Plus und kam auf eine durchschnittliche Rendite von 5,7 Prozent – sie lag also deutlich höher als im Durchschnitt seit 1950.
Für den DAX ergab eine Analyse von Fidelity, dass der Index seit 1989 in 18 Jahren im Zeitraum von Mai bis September Verluste einfuhr, also nur in rund der Hälfte der Fälle. Die Analyse zeigt aber zugleich, dass Anleger, die seither die Sell in May-Regel befolgten, mehr Rendite erzielten als Anleger, die einmal zu Beginn des Zeitraums investierten. Für jedes einzelne Jahr bleibt es dennoch Zufall, ob die Regel zutrifft.
Die Situation im Jahr 2022
Speziell in diesem Jahr gibt es die Situation, dass Anleger gerade nicht viele Gewinne mitzunehmen haben dürften. Von Jahresbeginn bis Ende April hat der DAX rund 11 Prozent verloren, der Dow Jones rund 9 Prozent und der MSCI World mehr als 13 Prozent.
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Die Gründe hierfür sind zahlreich: Der Ukraine-Krieg, die Lieferengpässe in Folge der Corona-Pandemie und die steigenden Zinsen in den USA. Das alles sorgt für viel Unsicherheit und macht es auch besonders schwer, die weitere Entwicklung der Börsenkurse in diesem Jahr vorauszusagen. Eine Börsenweisheit hilft da auch nicht weiter.
Langfristig investiert sein als Alternative
Für viele Anleger dürfte es das beste sein, der Sell in May-Weisheit nicht zu folgen. Das nimmt den Druck, den richtigen Moment für den Wiedereinstieg zu finden und Anleger sparen sich die Ordergebühren. In den letzten Jahren haben zudem Algorithmen und die Geldpolitik der Notenbanken einige Spielregeln verändert. Eine langfristige Buy-and-Hold-Strategie kann darum eine gute Alternative zur alten Börsenweisheit sein.
Dennoch bleibt nicht von der Hand zu weisen, dass statistisch gesehen die Monate von Mai bis Oktober häufig schwächere Renditen bringen – wenn auch nicht unbedingt Verluste – und die Sell in May-Strategie in der Vergangenheit zu höheren Renditen führen konnte als andere Strategien.
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Weiterführende Links
Focus – Alle Jahre wieder die gleiche Diskussion
Businessinsider – Die alte Börsenregel stimmt nicht
Handelsblatt – Warum die Börsenregel „Sell in May“ vor allem in diesem Jahr bedeutungslos ist