Nachdenkliches zur Abgeltungssteuer
Der endgültige Beschluss der als Abgeltungssteuer bezeichneten pauschalen Gewinnbesteuerung aller Kapital- und Zinseinkünfte rückt immer näher. Über die Details der steuerlichen Ausgestaltung und schon fast üblichen Änderungen in letzter Minute berichtet Manfred Walter in seinem Blog-Beitrag „Abgeltungssteuer die Zweite“. Was vor allem aktive Trader verunsichert ist die unterschiedliche Behandlung von Gewinnen und Verlusten. Alle erzielten Gewinne werden sofort besteuert und die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent sowie 1,4 Prozent Solidaritätszuschlag von den Brokern und Banken einbehalten und direkt ans Finanzamt abgeführt. Verluste hingegen kann der Trader erst bei seiner Steuererklärung geltend machen. Fürs Finanzamt bedeutet diese asymmetrische Besteuerung quasi ein Zahlungsziel von bis zu 15 Monaten für zu viel erhaltene Steuern. Den Trader stellt dieser Unterschied jedoch vor gewaltige Probleme, wie sich an einem einfachen Beispiel erläutern lässt:
Ein Trader startet mit einem Kapital von 100.000 Euro. Im ersten Monat erzielt er Gewinne in Höhe von 30.000 Euro und im zweiten Monat einen Verlust von 25.000 Euro. Jeder normale Mensch würde jetzt sagen, er hätte insgesamt 5.000 Euro Gewinn erzielt. Doch dank der sinnigen Regelung der Abgeltungssteuer werden von den Gewinnen im ersten Monat 26,4 Prozent einbehalten. Von den 30.000 Euro Gewinn bekommt er also noch 22.080 Euro ausbezahlt. Rechnet man jetzt die 25.000 Euro Verlust aus dem zweiten Monat dagegen, so bleibt unterm Strich ein Gesamtverlust von 2.920 Euro. Während ihm der Steueranteil auf seinen Gewinn im ersten Monat sofort abgezogen wird, kann er die Verluste erst im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung gegenrechnen und sich die zuviel gezahlten Steuern zurückholen. Im Extremfall kann sich so ein Trader trotz Gewinnen gegen Null traden, wenn gewinnreiche mit verlustreichen Monaten wechseln. In unserem Beispiel bleiben ihm zum Beispiel trotz der 5.000 Euro Gesamtgewinn am Ende des zweiten Monates nur noch 97.080 Euro zum traden. Bis zur Verrechnung im Rahmen seiner Steuererklärung fehlt ihm also eindeutig Kapital. Wer unser Steuersystem kennt weiß auch, dass die in einem Jahr eingenommenen Steuern keinesfalls für Rückzahlungen im nächsten Jahr bereitstehen, sondern mit vollen Händen in diverse Fässer ohne Boden wandern. Seine Rückerstattung bekommt der Trader in unserem Fall dann aus den Steuereinnahmen des Jahres, in dem er seine Steuererklärung einreicht.
Wer einmal länger darüber nachdenkt, der wird die Vorteile erkennen, die ihm insbesondere unter dem Aspekt der Abgeltungssteuer eine Geldanlage im Ausland bieten kann. Dabei geht es nicht um Steuerhinterziehung oder andere Straftatbestände, sondern um die Beseitigung der Ungerechtigkeiten bei der Besteuerung von Gewinnen und der Verrechnungsmöglichkeit mit späteren Verlusten. Bei einem Depot im Ausland wird nämlich keine sofortige Abgeltungssteuer auf die im laufenden erzielten Gewinne fällig. Stattdessen erfolgt die Verrechnung zum Ende des Jahres mit der Einkommensteuererklärung des Anlegers. Dass beispielsweise unsere eidgenössischen Nachbarn mit kreativen Möglichkeiten zur Geldanlage in der Schweiz schon Gewehr bei Fuß stehen, wird jedem verständlich sein, der sich einmal ausführlich mit dieser Thematik befasst hat. Dass die Einführung dieser Steuer die deutsche Aktienkultur erheblich dämpfen wird, darüber sind sich nämlich fast alle einig, siehe Abgeltungssteuer bremst. Und dass sich Anleger dagegen durch Kapitalflucht ins Ausland zur Wehr setzen werden, mag angesichts der Umstände auch nicht verwundern.