Die Ratssitzungen der EZB sind nach wie vor geheim, nur das Ergebnis wird nach außen kommuniziert. Wer bei welchen Entscheidungen federführend ist, und wer dagegen stimmt, dies bleibt in vielen Fällen im Verborgenen. Es sei denn, der Chef des Rats der EZB oder ein anderes Ratsmitglied macht dies öffentlich. Nun könnte die Europäische Zentralbank jedoch vor einer historischen Neuerung stehen. Der Direktor der EZB, Jörg Asmussen fordert eine Veröffentlichung der bislang geheimen Sitzungsprotokolle des Rats.
Dies ist auf der einen Seite natürlich eine Möglichkeit, neue Transparenz zu erlangen und diese zu bieten. Auf der anderen Seite birgt dies gleich zwei Gefahren, die auf keinen Fall unterschätzt werden sollten.
Wachsender Druck auf Ratsmitglieder
Wenn die Protokolle aus den Ratssitzungen der EZB veröffentlicht werden, kann dies zu einem wachsenden Druck führen, dem die einzelnen Ratsmitglieder unterworfen werden könnten. Gerade die, welche sich gegen bestimmte Entscheidungen stellen – oder aber massiv für unpopuläre Entscheidungen plädieren, könnten damit in Zukunft unter massivem Druck stehen. Dies würde die Arbeit der Europäischen Zentralbank jedoch sich nicht stärken in der Zukunft, sondern eher bremsen. Viel schlimmer wäre jedoch eine andere Auswirkung, die eine Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle mit sich bringen könnte.
Gefahr für die Börsen nach Protokoll-Veröffentlichung
Vor wenigen Wochen haben wir gesehen, wie sehr die Veröffentlichung eines Notenbank- Sitzungsprotokolls die Finanzmärkte in der ganzen Welt zum Taumeln bringen können. Die Federal Reserve, die US-Notenbank, hatte erst ein Statement zur zukünftigen Geldpolitik abgegeben, was von den Investoren und Anlegern für gut befunden wurde, und die Aktienkurse (darunter der DAX) rauschten in neue Höhen. Kurz danach wurde jedoch das Protokoll zu der entsprechenden FED-Sitzung veröffentlicht und als dann deutlich wurde, dass sich die Notenbank der USA möglicherweise deutlich schneller als gedacht aus der Politik des billigen Geldes zurückziehen könnte, rauschten weltweit die Börsenkurse ab.
Transparenz statt Spielchen?
Dies zeigt, dass gerade Sitzungsprotokolle die Märkte durchaus binnen kürzester Zeit verschieben können. Auf der anderen Seite wäre natürlich gerade bei der Europäischen Zentralbank mehr Transparenz wünschenswert, auch hinsichtlich der Frage, wie es mittelfristig und langfristig weitergehen soll. Denn wenn eine Notenbank den Chef Aussagen treffen lässt, kurz darauf aber den Direktor zurückpfeift, weil sich dieser zu den Aussagen des Präsidenten äußert und dann noch eine Aussage von Seiten der Notenbank zu diesem Zurückpfeifen kommt, stellen sich wohl viele eher die Frage, ob dies ein Kindergarten denn ein vernünftiger Rat einer Notenbank ist.
Die Europäische Zentralbank ist übrigens die einzige der großen Notenbanken, die bislang ein großes Geheimnis um ihre Sitzungsprotokolle macht, während eine Veröffentlichung in anderen Wirtschaftsnationen bereits zur Tagesordnung dazugehört. Es wird sich jedoch zeigen müssen, ob dies bei der EZB, die ja letztlich die Notenbank eines Währungsverbundes und nicht eines einzelnen Staates ist, wirklich sinnvoll ist oder nicht vielleicht doch eher kontraproduktiv.