Eine eigene Rating-Agentur für Europa?
Dies fordert zumindest unsere Bundeskanzlerin in einem Gespräch mit der „Financial Times Deutschland“. Merkel sagte dazu: „Europa hat sich dank des Euro eine gewisse Unabhängigkeit erarbeitet. Aber wir haben – was die Regelsetzung, die Transparenz und die gesamte Standardisierung der Finanzmärkte anbelangt – nach wie vor ein sehr stark angelsächsisch dominiertes System“.
Bereits im August des vergangenen Jahres hatte Angela Merkel mehr Transparenz auf den Finanzmärkten gefordert. Nun betont sie die Wichtigkeit einer eigenen Rating-Agentur für die inzwischen wirtschaftlich sehr erstarkte Euro-Zone. Bereits damals war ihr wohl klar, wie die Finanzkrise die Welt erschüttern würde, denn neu ist ihre Kritik nicht. Neben der Transparenz hatte sie damals bereits die Ratingagenturen kritisiert, da diese in gewisser Weise den Finanzmarkt durch ihre Einstufungen regieren und damit so manche Aktie und damit auch die bei Anlegern so beliebten Aktienfonds zum Auf- oder eben zum Niedergang führen.
Würde es auf mittlere Sicht – wie es unsere Bundeskanzlerin fordert – zu einer europäischen Rating-Agentur kommen, würde diese in Konkurrenz zu den ganz Großen im Geschäft treten, zu den Marktführern Moody’s oder Standard & Poor’s zum Beispiel.
Gerade am Beispiel Lehman Brothers kann man die Bedeutung dieser Ratingagenturen erkennen. Wenn sie die Aktien einer Bank schlechter einstufen, verlieren diese auch umgehend an Wert. Die Folge davon kann man derzeit tagtäglich auf den Finanzmärkten der ganzen Welt, vor allem aber in den USA sehen.
Die Analysten der Ratingagenturen sind es, die letztlich an den Strippen der Weltwirtschaft ziehen, wobei man angesichts der Schmährufe der letzten Monate aber immer bedenken muss, dass auch eine Rating-Agentur nur auf die Informationen zugreifen kann, welche auch Journalisten und Anlegern zur Verfügung stehen, wie unter „Kein Bashing der Rating-Agenturen“ treffend beschrieben wird.
Frau Merkel hat also Recht, wenn sie eine eigene Rating-Agentur für Europa fordert. Vielleicht würde diese auch endlich ein Gegenwicht darstellen und damit das sehr verschobene Gleichgewicht auf dem globalen Finanzmarkt wieder herstellen.
Ihre Aussage hat, angesichts des letzten Deutschlandbesuchs des amtierenden Präsidenten der USA, George W. Bush, natürlich besondere Brisanz, denn Merkel gibt damit indirekt die Marschrichtung für den nächsten, den 43., Präsidenten der USA für Europa vor und stellt sich damit klar hinter eine starke Euro-Zone und vor ein geeintes Europa.