Der Verfall des Rubels – Die Währung Russlands im freien Fall
Wir haben sie wohl alle noch im Kopf, jene Fernseh- und Zeitschriftenbilder, welche so manchen der Neureichen in Russland gezeigt haben. Goldene Wasserhähne gab es da zu sehen, Kinder, die Taschengeld in einer Höhe erhalten, die manch einer von uns sein Leben lang nicht verdienen wird. Sie traten auf als die absoluten Gewinner in den letzten Jahren und könnten nun zu den größten Verlierern der Finanzkrise werden.
Dem Verfall einer Währung regelrecht zusehen zu können, das ist lange her, zumindest wenn man Wirtschaftsnationen betrachtet, die eine wichtige Stellung im Leben der globalen Wirtschaft haben. Und nun kann man den Rubel in den Abgrund wandern sehen, und die russischen Milliardäre möglicherweise gleich mit. Die Währung Russlands ist inzwischen so tief gefallen, dass in den nächsten Tagen wohl der Punkt erreicht ist, der von der Notenbank Russlands als Mindestwert angegeben ist. Dieser Wert sollte gehalten werden, auf Biegen und Brechen, aber kaum noch jemand glaubt wirklich daran.
„Die Grenze wird in den nächsten Tagen nicht zu halten sein.“ Dies sagte der der Analyst für den Devisenhandel der Commerzbank, Lutz Karpowitz der „Financial Times Deutschland“. Und spricht damit aus, was viele denken: Dass die russische Währung möglicherweise am Ende ist, auch wenn die Zentralbank des Landes noch dagegen ankämpft. In Russland selbst redet man das Problem schön und verweigert – wieder einmal – den klaren Blick auf die Realität. Seit dem vergangenen Sommer hat der Rubel ein Viertel seines Wertes gegenüber dem Euro verloren, ein Drittel seines Wertes gar gegenüber dem US Dollar.
Das bedeutet: Die Tilgung der Schulden, die russische Unternehmen im Ausland angehäuft haben, wird immer schwieriger. Bereits jetzt sind so einige Unternehmen deswegen in Zahlungsschwierigkeiten. Inzwischen wird sogar gemunkelt, dass Roman Arkadjewitsch Abramowitsch, der große Fußball-Milliardär, seinen Club, den FC Chelsea, wieder veräußern will. Im Juli des Jahres 2003 hatte Abramowitsch Chelsea gekauft. Und seitdem die stolze Summe von 600 Millionen Euro ausgegeben, um neue Spieler in den Club zu holen. In den Jahren 2005 und 2006 hatte es Chelsea dann tatsächlich auch bis zur Meisterschaft in der englischen FA Premier League geschafft, schrammte aber in der vergangenen Saison am Thron vorbei und landete „nur“ auf Platz zwei. Sollte Abramowitsch seinen Club tatsächlich verkaufen müssen, er, der als zweireichster Mann Russlands gilt, und auf der Liste der reichsten Menschen der Welt den 15. Platz belegt, würde dies einen Schatten auf Russland werfen, der bitter für das Land wäre.
Vielleicht wurde zu viel gewollt von zu wenigen. In Russland geht wie in kaum einem Land die Schere zwischen Arm und Reich auseinander. Vielleicht ist es dies, was es so schwierig macht für ein Land, das aus einer völlig anderen Welt kam, als es sich dem Kapitalismus preis gab. Bis heute scheint Russland diesen Kulturschock nicht verkraftet zu haben, und noch immer reagiert der Staat mit Repressalien, wenn wegen der Probleme der Finanzkrise demonstriert wird. Der Übergang in eine neue Welt wurde immer noch nicht geschafft. Und nun rutscht der Rubel in den Abgrund, und die Frage wird sein, wie es nun weitergehen soll. Denn es könnte für den Rubel, der an einen Währungskorb aus US Dollar und Euro (zusammen gesetzt aus dem Verhältnis 55 Prozent US Dollar und 45 Prozent Euro) gebunden ist noch tiefer nach unten gehen.
Im Moment ist die von der russischen Zentralbank festgesetzte Grenze von 41 Rubel nur noch einen halben Prozent entfernt. Doch es gibt Vermutungen, die davon ausgehen, dass es sogar auf bis zu 50 Rubel hochgehen könnte, und das wäre möglicherweise das Aus der Währungsbindung, aber wohl auch für einen Teil der russischen Wirtschaft. Wer derzeit auf russische Aktien oder Fonds mit russischen Werten setzt, wird dies schon an der Kursentwicklung der letzten Monate erahnt haben können. Einzig Hedgefonds, die auf diesen Währungsverfall spekuliert haben, könnten zu den Gewinnern zählen. Noch ist die Währung Russlands an die der USA und Europas gekoppelt, eine wichtige Verbindung. Doch was wird passieren, wenn die russische Zentralbank diese Koppelung aufhebt und das eigene Land damit auf eine wirtschaftliche Insel stellt? Vielleicht das Ende Russlands als aufstrebende Wirtschaftsmacht. Und der FC Chelsea würde dann wohl möglicherweise wirklich bald zum Verkauf stehen.