Bonität: negativ – Großbritannien am Scheideweg?
Die Einstufung einer Rating-Agentur ist das Gedeih und Verderben für jede Bank. Als indirekte und manchmal auch direkte Krisenlenker haben Standard & Poor’s, Moody’s und Co. für richtige und falsche Informationen gesorgt. Hier fällt vor allem der Blick zurück auf die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, die vor ihrem Zusammenbruch nicht zurück gestuft worden war, und deshalb unzählige Anleger in ein finanzielles Fiasko riss.
Bereits im August 2007 hatte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ getitelt: „Die böse Macht der Krisen-Katalysatoren“. Doch so sehr auch die fatale Handhabe der Rating-Agenturen bekannt war, niemand griff dagegen ein – auch und gerade nicht auf politischer Ebene, der einzig möglichen Variante, um dem grausamen Zustand Abhilfe zu schaffen. Doch die Kiste lief weiter, und die drei großen Rating-Agenturen, deren Stimmen bestimmend sind für die Finanzmärkte, Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch, hatten keinen Blick für die Realität, was sich für die Anleger bitter rächte. Am Morgen des Zusammenbruchs von Lehman Brothers hatte Fitch die US-Investmentbank gar noch mit einem „A+“ bewertet – was bei der Skala von der Bestnote „AAA“ bis zur Kennzeichnung „D“ für Zahlungsunfähigkeit immer noch die drittbeste Note ist. Man hatte sich also völlig vertan, und wachte auch nicht auf, wie es scheint (zu der Funktionsweise des Ratings an sich haben wir mit Bezug auf Anleihen in unserem Ratgeber zum „Rating von Anleihen“ einige Ausführungen veröffentlicht).
Anders als bei Banken, durch welche die Rating-Agenturen ja auch finanziert werden, sieht es aber bei der Einstufung der Liquidität von Staaten aus. Zwar ist hier das Rating bei weitem auch nicht ganz unumstritten, aber es zeigen sich immerhin keine solchen finanziellen Verstrickungen, wie es bei den Agenturen und den Banke der Fall ist. Und heute kam nun die Nachricht, dass die Bonität von Großbritannien am Schwanken ist.
Die Staatsverschuldung ist hoch auf der Insel, seit den weit entfernten 50er Jahren ging es dem britischen Haushalt nicht mehr so schlecht wie in diesen Tagen. Noch, ja noch ist das Rating auf „AAA“, dies könnte sich jedoch bald ändern. Standard & Poor’s setzte am heutigen Donnerstag ein Signal und senkte, zwar nicht die Note, aber den Ausblick auf die nächste Einstufung der Bonität Großbritanniens – und das auf „negativ“. Nun besteht eine 30 Prozent-Wahrscheinlichkeit, dass das Land seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann – ein deutliches Warnsignal auch für Anleger, welche bei ihrer Geldanlage etwa auf britische Staatsanleihen setzen.
Neben den ganzen Querelen um den Spesenskandal auf der Insel kommt nun das Ungemach von Seiten der Rating-Agentur. Mit einer Neuverschuldung von 175 Milliarden Pfund, was immerhin 1,14016 Euro ausmacht je Pfund, und einem BIP von noch 1.445 Milliarden Pfund im vergangenen Jahr (= 1.814 Milliarden Euro) tickt langsam, aber wie es scheint, unaufhaltsam, eine Bombe für Großbritannien. Eine Neuverschuldung von mehr als 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in einem einzigen Jahr, eine fatale Geschichte, die das bereits durch die Finanzkrise schon so schwer angeschlagene Land noch mehr zu Boden ziehen könnte.
Im Vergleich dazu sei nur das BIP von Deutschland im vergangenen Jahr gesehen. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von 2.492,00 Milliarden Euro wird für dieses Jahr von einer Neuverschuldung von 47,6 Milliarden Euro ausgegangen. Dies sind nicht einmal zwei Prozent und damit weit weniger als ein Sechstel an Neuverschuldung gegenüber dem BIP von 2008 im Vergleich mit Großbritannien. Die nackten Zahlen widersprechen der den ganzen Aussagen, dass es uns dank der Krise ach so schlecht geht. Gerade das Einwirken der Sozialen Marktwirtschaft hat viel zurück gehalten, was andere Länder, wie eben Großbritannien, langsam aber sicher das (finanzielle) Wasser abgräbt. Nicht einberechnet wurden hier natürlich die negativen Veränderungen beim Bruttoinlandsprodukt dieses Jahres, die Rechnung wird also erst unter dem Strich gemacht werden im Februar des nächsten Jahres, wenn die endgültigen Zahlen vorliegen werden. Interessant wird dann aber auch eines sein: Welches Rating wird Großbritannien dann haben?